Über Bargeld, Banken und andere Abhängigkeiten

Bargeld soll es bald nicht mehr geben. Darauf freuen sich die Banken, denn dann sind ihre Kunden vollständig von ihnen abhängig. Das gefällt auch dem Staat, denn dann hinterlässt jeder Geldtransfer digitale Spuren und wir alle sind noch ein Stück transparenter geworden. Doch es geht hier nicht nur um den gläsernen Bürger. Es geht auch um die Abhängigkeit von technischen Systemen. Und das nicht nur beim Geld, sondern bei fast allem, was wir tun.

Niemand denkt daran, welche komplexen technischen Prozesse er auslöst, wenn er irgendwo seine Kreditkarte in einen Schlitz steckt, um Geld abzuheben oder seinen Einkauf zu bezahlen. Dabei ist hier eine Menge Hardware und Software involviert. Es müssen mehrere Systeme zusammenspielen und alles muss funktionieren, damit das Geld vom eigenen Konto verschwindet und in einem anderen wieder auftaucht. 

Das beginnt schon in der Kneipe, beim Händler oder wo immer. Kommt die Bedienung mit einem Handterminal, dann muss schon mal das einwandfrei funktionieren. Das Mobilfunknetz muss ausreichend stark sein und das Internet muss laufen. Handelt es sich um ein Kassenterminal beim Händler, dann muss das nicht nur mit der Kasse selbst kommunizieren können. Meist hängt auch noch ein Computer dran, auf dem die Bestandsverwaltung läuft und mit dem die Verbindung ins Internet hergestellt wird. 

Am anderen Ende ist dann das Rechenzentrum eines Zahlungsdienstleisters. Der prüft erst einmal die Identität des Händlers, will den PIN-Code zur Kreditkarte wissen und tritt dann mit der Bank in Verbindung. Dabei fließen eine Menge Daten hin und her und wenn alles gut geht, heißt es am Ende „Zahlung erfolgt“.

Wir haben es also hier mit mindestens zwei Computern, mehreren Netzwerken, dem Telefonnetz und/oder dem Internet und einer Menge Hardware zu tun. Nur, wenn all diese Komponenten nahtlos miteinander kommunizieren ist der scheinbar einfache Zahlungsvorgang erfolgreich. Ist auch nur ein Computer ausgefallen, geht nichts mehr. Gibt es irgendwo eine Übertragungsstörung, ist auch der schöne, bargeldlose Zahlungsvorgang erfolgreich. Da hilft dann nur noch ein Blick in die Geldbörse, in der sich hoffentlich noch genügend Scheine befinden. 

Wobei ganz nebenbei auch die Stromversorgung eine entscheidende Rolle spielt. Wenn Daten mehrmals quer durchs Land oder gar ins Ausland geschickt werden, muss auch überall entlang der Übertragungskette Netzstrom vorhanden sein. Ist der irgendwo ausgefallen, gibt es bestenfalls eine Fehlermeldung. Und dafür kann schon ein Blitzschlag genügen, ein Kabelbruch oder ein Defekt im Umspannwerk. 

Auf der Insel Fehmarn fiel vor Jahren mitten in der Sommersaison eine ganze Woche lang der Strom aus. Schuld war ein Brand im Umspannwerk auf dem Festland mit weitreichenden Folgen. In den Restaurants gab es nur noch kalte Küche und im Hotel war Frühstück ohne Kaffee angesagt. Die meisten Läden machten dicht, denn ohne Strom funktioniert auch keine moderne Registrierkasse. Mit bargeldlosem Bezahlen war natürlich auch nichts mehr. Und wer auf Bargeld ausweichen wollte, stand vor inaktiven Bankautomaten. 

So etwas kommt zwar nur selten vor, aber es ist nie aus zuschließen. Viel häufiger sind Probleme, die von den Banken selbst ausgelöst werden. Ich kann zum Beispiel mit einer meiner Kreditkarten kein Geld bei einem Automaten der Postbank abheben. Warum das der Fall ist konnte oder wollte mir niemand sagen. „Diese Karte wird nicht akzeptiert“ meint der Automat lapidar. Bankautomaten der Sparkassen vermeide ich mittlerweile grundsätzlich, weil die für eine Auszahlung satte 4 Euro Gebühren verlangen. Mein früheres Konto bei der Sparkasse habe ich genau aus diesem Grund aufgelöst. 

Auch beim Online-Shopping passiert es immer wieder, dass eine Karte nicht, eine andere aber sehr wohl angenommen wird. Nicht, weil nicht genügend Geld vorhanden ist, sondern aus Gründen, die irgendwo im System stecken. In Frankreich passiert es mir immer wieder, dass sich eine Tankstelle weigert, eine bestimmte Karte anzunehmen und ich keine Ahnung habe, was der Grund dafür ist. Es ist mir auch schon passiert, dass eine Kreditkarte ohne mein Zutun plötzlich für den Auslandseinsatz gesperrt war und ich eine Stunde damit verplempern musste, um in der App der Bank die passende Einstellung zu finden. 

Wer nur eine einzige Kreditkarte besitzt, kann in solchen Situationen richtig aufgeschmissen sein. Ich selbst bin aus Schaden klug geworden und habe mittlerweile immer mehrere Karten dabei. Das alles macht das Leben nicht unbedingt einfacher, aber vor allem im europäischen Ausland ist man ohne funktionierende Kreditkarte oft aufgeschmissen. In Frankreich kann man zum Beispiel ohne Plastikgeld weder tanken, noch die Maut auf der Autoroute bezahlen. Und in Schweden kann es einem passieren, dass man es bei McDonalds nur mit einem Automaten zu tun hat, der die Bestellung entgegennimmt, aber mit Bargeld nichts anfangen kann. 

Bargeld ist zwar noch immer das einzig gesetzliche Zahlungsmittel. Aber wie es aussieht, interessiert das mittlerweile niemand mehr. Selbst der Staat setzt hier eindeutige Zeichen. Eine Rechnung bar zu bezahlen ist mittlerweile nur noch bis zu einer Summe von 10.000 Euro möglich und in der EU-Kommission diskutiert man bereits darüber, diesen Betrag sogar europaweit auf 5.000 € zu reduzieren. Angeblich soll damit Geldwäsche eingedämmt werden, Aber der wahre Grund dürfte ganz woanders liegen. Der Staat will eben immer mit von der Partie sein, wenn Geld den Besitzer wechselt . Bargeld hinterlässt keine Spuren. Ein bargeldloser Bezahlvorgang schon. 

Doch die Digitalisierung des Geldes ist nur eine Sache, die uns zunehmend in Abhängigkeit bringt. In der Kommunikation sieht es nicht viel anders aus. Auch unsere Handys sind Teil eines komplexen Systems, bei dem unzählige Komponenten funktionieren müssen, damit wir Daten austauschen, Informationen abrufen und miteinander reden können. Fällt ein Sendemast aus, ist eben in seinem Umkreis erst mal Funkstille. Kommt irgend ein Rechenzentrum aus dem Tritt, kann die Kommunikation für Stunden lahmgelegt sein. Doch es genügt auch schon eine Netzüberlastung, um das G4-Netz an seine Grenzen zu bringen. Das kann man hier in Travemünde während der Travemünder Woche regelmäßig erleben. Während einer Demo in Berlin mit Hunderttausenden von Teilnehmern schaltete O2 das Streaming kurzerhand ab, weil das Netz für so viele Nutzer einfach nicht ausgelegt war. 

Während ich diese Zeilen schreibe, kann ich über meine Mail-Adressen keine eMails verschicken und muss auf mein Google-Konto ausweichen. Der Grund? Ein Hacker ist in einen meiner Blogs eingedrungen und hat meine eMail-Adressen genutzt um zigtausende von Spam-Mails zu verschicken. Mein Account wurde daraufhin für ausgehende eMails gesperrt und ich muss jetzt erst mal ein Backup aufspielen, bevor es weitergehen kann. Alles, was sich im Internet abspielt, ist eben auch irgendwie angreifbar. 

Daran muss ich immer wieder denken, wenn ich Artikel über Themen, wie Industry 4.0, Big Data oder die Digitalisierung generell schreibe. Bisher laufen Prozessanlagen, wie Chemiewerke, Kraftwerke, Molkereien oder auch Kläranlagen noch als weitgehend in sich geschlossene Prozesse, die für Hacker nur wenig Angriffsfläche bieten. Doch wenn man künftig ganz einfach mit dem Tablet von jedem Ort der Welt aus darauf zugreifen kann, dürfte es auch mit diesem Frieden vorbei sein. 

Nein, ich will hier keine Technik verteufeln. Aber ein paar kritische Gedanken sind dennoch angebracht.