Wenn der Amtsschimmel digital wiehern will

Sie wühlen noch immer in Aktenordnern und reden von der modernen Verwaltung. Sie verschicken noch immer Briefe und ignorieren jede E-Mail. Sie sorgen sich um den Datenschutz bei Google & Co. und sind selbst die größten Datenkraken. Sie wollen alles wissen, regeln und überwachen und wundern sich, dass sie ständig über ihre eigenen Regeln stolpern. Sie reden allen Ernstes von der digitalen Zukunft und scheitern an einer simplen Website. Gedanken über die bizarre Beamtenwelt und ihr gestörtes Verhältnis zur Technologie.

Auch ich habe noch einen Briefkasten. Also nicht nur eine Mailbox, sondern so ein Kasten mit Klappe, für die letzte Briefpost, die noch ins Haus kommt. So etwa alle zwei Wochen quillt dieser über und ich nehme seinen Inhalt mit nach oben. Buntes Papier landet direkt im Papierkorb. Was übrig bleibt, sind graue Umschläge vom Finanzamt oder von irgend einer anderen Behörde. Also nur lästiges Zeug, das eigentlich niemand haben will.

Alle anderen kommunizieren nur noch elektronisch mit mir. Was meine Freunde so tun, erfahre ich über WhatsApp, Facebook und Instagram. Zu meinen Kunden halte ich per E-Mail Kontakt. Wobei ich die meisten nur per Namen kenne und bestenfalls mit ihnen telefoniert habe. Wenn ich mal einen persönlich kennenlerne, ist das mittlerweile ein echtes Highlight.

Interessant dabei ist, dass auch all die Schreibtischtäter aus der öffentlichen Verwaltung mittlerweile eine E-Mail-Adresse haben. Zumindest steht die auf jedem Brief. Nur scheinen die nie in ihr Postfach zu gucken. Zumindest habe ich noch nie auf eine Mail eine Antwort bekommen. Ein Beamter braucht es eben schwarz auf weiß, sonst zählt es nicht.

Behörden lesen grundsätzlich keine E-Mails

Kürzlich kündigte mir das Hauptzollamt einen Vollstreckungsbeamten an. Es ging um die Steuer für ein Auto, das ich schon seit Monaten nicht mehr besaß. Ich schickte also eine Mail an die angegebene E-Mail-Adresse, hing ein PDF mit der Abmeldung an und dachte, damit sei die Sache erledigt.

Eine Antwort bekam ich nicht. Dafür tauchte ein mit einem Notebook bewaffneter Mensch bei mir auf und wollte die „Vollstreckung“ durchführen. Ich zeigte ihm die bewusste Abmeldung, er tippte etwas in seinen Computer, klappte selbigen zufrieden wieder zu und verabschiedete sich. Auf die Frage, ob er denn meine E-Mail nicht erhalten habe, meinte er: „Die E-Mails gehen bei uns in der Poststelle ein und werden per Hauspost verteilt. Vermutlich hat sich da etwas überschnitten“. Aha, dachte ich mir. In seiner Behörde geht eben alles seinen gewohnten Gang wie schon seit hundert Jahren. Post kommt eben in der Poststelle an und wird dann vom Amtsdiener in die verschiedenen Amtsstuben verteilt.

Auch beim Finanzamt scheint man Probleme mit allem zu haben, was man nicht in Aktenordnern stapeln kann. In meinem Fall ging es um die Steuererklärung für mein bescheidenes kleines Unternehmen. Sie war zwar erfolgreich online in den digitalen Irrgarten der Behörde abgeschickt worden, hatte aber dort keinerlei Reaktionen ausgelöst. Stattdessen schätzte man einfach die Gewerbesteuer und setzte einen fiktiven Betrag in luftiger Höhe fest. Auch dieses Mal schickte ich dem Sachbearbeiter eine klärende E-Mail – zusammen mit dem „Beweis“, dass meine Steuererklärung schon lange abgeschickt sei.

Mittlerweile war ein Gewerbesteuerbescheid von der Gemeinde eingetroffen. Wieder reagierte ich mit einer E-Mail, verwies auf den Fehler des Finanzamts und bat um etwas Geduld. Eine Antwort erhielt ich auch dieses Mal nicht. Dafür traf kommentarlos eine Mahnung ein.

Ich gab auf und wandte mich an meine Steuerberaterin. Die brauchte zwei Wochen, um mehrmals mit dem Finanzamt zu telefonieren, bis man schließlich zugab, die Steuererklärung noch nicht „bearbeitet“ zu haben. Die Kosten für diesen Zeitaufwand fanden sich dann auf ihrer nächsten Rechnung wieder.

Die Gemeinde schickte mir zwar irgendwann einen neuen Bescheid. Aber sie bestand trotzdem auf die Mahngebühren in mittlerweile dreistelliger Höhe. Das heißt, Sie wollten Gebühren für eine Forderung, die nie berechtigt war. Eine Logik, die sich wohl einem Menschen außerhalb der Paragrafenwelt nie erschließen wird. Ich lieferte mir einen mehrwöchigen Briefwechsel mit einer Dame, die mit geradezu fanatischer Verbissenheit um die Gebühren kämpfte und mir dafür seitenlange Briefe voller §§ schickte. Per Briefpost natürlich, denn ich hatte es längs aufgegeben, mit Leuten aus der Verwaltung per E-Mail zu korrespondieren.

Die digitale Behörde, eine unendliche Geschichte

Svenja Schulze ist Umweltministerin. Die Digitalisierung ist für sie eine der größten Bedrohungen für den Planeten. Allerdings hat sie davon offenbar nur wenig Ahnung und forderte kürzlich allen Ernstes, dass man die Auflösung von Smartphones herabsetzen solle, damit fürs Streaming nicht so viele Daten übertragen werden müssen. Die würden nämlich Rechenleistung kosten und damit Energie. Und Energie ist per se umweltschädlich.

Bei solchen einfach gestrickten Politikern darf man sich nicht wundern, wenn die Behörden noch immer nach den Methoden der 50er Jahre arbeiten. Für jeden Kleinkram muss man persönlich erscheinen. Man muss in die Stadt fahren und seine Zeit in irgendwelchen Wartesälen verplempern, nur um einen Pass zu verlängern, irgend ein Formular abzugeben oder sein Auto zuzulassen.

Dabei könnte man statt eines Papierformulars vor Ort problemlos auch ein Onlineformular ausfüllen. Alles, was der Staat über den einzelnen Bürger wissen muss, hat er ohnehin in seinen zahlreichen Datenbanken gespeichert. All die lästigen Routineaufgaben ließen sich daher zeitsparend vor dem Bildschirm abwickeln und die Mitarbeiter der Behörden hätten Zeit, sich um die Dinge zu kümmern, in denen tatsächlich menschliches Zutun erforderlich ist.

Doch passiert ist bisher nichts. Ich besitze zwar einen maschinenlesbaren Personalausweis, aber seinen Nutzen konnte ich bisher noch nicht ergründen. Ich habe den Eindruck, hier trifft staatliche Regelungswut auf eine Realität, die längst zur Nebensache geworden ist. Ich klicke also nur gelangweilt weiter, wenn mir der Bürgermeister von Lübeck mal wieder weismachen will, dass die digitale Verwaltung unmittelbar vor der Tür stehe.

Bisher sehe ich nämlich nichts als eine Website im Design der sechziger Jahre, angetrieben von einer Webtechnologie der ersten Generation. Darin stellt sich die Stadt als traditionsreiche Hansestadt und innovativer Wissenschaftsstandort vor. Die Struktur der Website ist unmöglich und unter den zahlreichen Selbstbeweihräucherungen der einzelnen Behörden die gewünschte Information zu finden, erfordert geradezu unendliche Geduld.

Neulich feierte man in den Medien mal wieder, wie modern man doch sei. Man könne jetzt sogar Behördentermine ganz einfach online vereinbaren, hieß es. Also einfach Wunschtermin aussuchen, Nummer geben lassen und schon entfällt die Wartezeit vor Ort. Das Problem ist nur: Den nächsten freien Termin gibt es leider erst in vier Wochen und die Verlängerung eines Personalausweises kann von der Idee bis zur Umsetzung gut und gerne zwei Monate erfordern. Selbst ein Auto zuzulassen dauert zwei Wochen.

Wenn mir wieder einmal einer etwas von der schönen, digitalen, bürgernahen Behördenwelt erzählen will, kann ich mittlerweile nur noch müde lächeln.