Warum ich von Behörden grundsätzlich die Finger lasse

Auch ich habe meine Vorurteile. Aber die haben wenig mit anders aussehenden Mitmenschen zu tun. Auch mit Quer- und Andersdenkern komme ich ganz gut zurecht. Mit Frauen sowieso. Aber wenn ich es mit Staatsangestellten zu tun habe, gehen bei mir die Warnlampen an. Wobei das streng genommen keine Vorurteile sind, sondern eigentlich das Ergebnis dessen, was sich im Laufe der Jahre alles im Kopf angesammelt hat - an Erlebnissen, Erfahrungen, Schlussfolgerungen. 

Bei mir ist das im Laufe der Jahre geradezu zu einer Phobie geworden. Sie führt dazu, dass ich sofort ein ungutes Gefühl entwickle, wenn ich es mit einer Behörde zu tun hab. Ich gehe nämlich dann automatisch davon aus, dass der Job stressig sein wird, das er unendlich viel Zeit kostet und das das Ergebnis nur suboptimal sein wird.

Sie meinen, ich gehe zu weit? Dann lesen Sie weiter.

Eine meiner ersten Erfahrungen betrafen eine Behörde im Süddeutschen. Dort beschäftigte man sich mit Nahverkehr, genau genommen mit dem schienengebundenen Nahverkehr, also mit Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und Regionalbahnen. Ein interessantes Thema, dachte ich und machte mich auf den Weg zum Briefing. 

Das Gespräch dauerte über zwei Stunden und ich habe dabei viel über den ÖPNV gelernt. Genug, um daraus einen 16-seitigen Imageprospekt zu entwickeln, mit dem die Behörde der Welt mitteilen wollte, womit sie sich den ganzen Tag lang beschäftigt. Ganz toll fand ich die Idee, dass man irgendwann direkt am PC eine Reiseroute von der Königstraße in Stuttgart bis zum Jungfernstieg in Hamburg planen könne. Also von Tür zu Tür und nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das ist heute längst kalter Kaffee. Aber man schrieb Ende der 90er Jahre, in den Behörden stempelte man noch Formulare ab und druckte E-Mails aus, um sie an den Vorgang zu heften, und so etwas wie Smartphones kannte noch niemand. 

Um es kurz zu machen: Der Prospekt war ein kleines Desaster. Ich weiß nicht, wie oft ich den Text umgeschrieben habe und wie viele ganz wichtige Leute sich darin verewigen wollten. Auf jeden Fall war das bunte Heft am Ende so verschlimmbessert, dass ich es besser nicht in meine Mappe für besonders gelungene Werbemedien legte. 

Genauso ging es auch der Broschüre einer IHK, die ich jetzt nicht anschwärzen möchte. Es ging um eine Broschüre, die die Unternehmen der Stadt an ihre Bewerber verschicken sollten, um die auf den besonders hohen Freizeitwert der Stadt hinzuweisen. Die Idee war eigentlich gut und es gab da auch eine Menge zu sagen. Inhaltlich konnte ich also aus dem Vollen schöpfen und meine Auftraggeber schienen auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis zu sein. 

Aber wie das bei Behörden und artverwandten Institutionen so ist, musste man die Sache natürlich noch intern abklären. Bei einem Wirtschaftsunternehmen dauert das höchstens zwei Wochen und ein Print-Produkt dieser Art ist in spätestens einem Monat gedruckt. Bei der betreffenden IHK gingen geschlagene eineinhalb Jahre ins Land. Die Zahl der Korrekturgänge wollte nicht aufhören und das Ergebnis ... vergessen wir’s. 

Während meiner journalistischen Tägigkeit habe ich noch eine ganz andere Unart von Behörden kennengelernt. Meist ging es dabei um irgendeine innovative Lösung, also um einen Artikel, der eigentlich im Interesse der Behörde sein sollte. Aber Behörden sind eben ziemlich aufgeblasene Organisationen, in denen eigentlich niemand einen Finger rühren will und Abwimmeln als Königsdisziplin gilt. Außerdem scheint der halbe Laden ständig entweder krank oder im Urlaub zu sein. Und der Rest versteckt sich hinter eMail-Adressen, hinter denen anscheinend lediglich der Spam-Ordner steht.

Schon um einen Termin bei einer Behörde zu bekommen, sollte man mindestens einen Monat einkalkulieren. Und dann steht man noch immer nicht mit seinem Gesprächspartner in Kontakt, sondern bestenfalls mit einer Mitarbeiterin (ja, es waren bisher ausschließlich Frauen), die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Die muss dann erst mal klären, wer den zu der Sache überhaupt etwas sagen darf. Schließlich kann ein Journalist nicht einfach mit dem Mann reden, der sich mit dem Thema auskennt. Da muss unbedingt noch ein Mensch einer mit einer höheren Besoldungsstufe dabei sein und nur der darf dann auch zitiert werden. 

Auch hier: Ein Artikel über die Erfindung irgend eines innovativen Unternehmens ist spätestens nach drei Wochen in trockenen Tüchern. Bei Behörden sollte man mindestens drei Monate veranschlagen. 

Für mich als Texter heißt das: ich bekomme dasselbe Honorar, aber ich muss ein Mehrfaches an Zeit dafür investieren. Wobei es bei Behörden auch nichts Ungewöhnliches ist, dass Ansprechpartner überhaupt nicht auszumachen sind oder auf eMails schlicht und einfach nicht reagieren. Achten Sie mal darauf: auf Behörden-Websites findet sich so gut wie nie eine eMail-Adresse oder gar eine Telefonnummer von irgend jemand, mit dem man vielleicht auf die Schnelle eine Frage klären könnte. Nein, hier muss man sich selbst auf den Weg machen und innerhalb der Dienstzeiten persönlich vorsprechen. Oder man muss - wie hier in Lübeck - online einen Termin reservieren, der dann irgendwann in drei Monaten ist. Immerhin scheinen die dort schon Computer zu haben. 

Typisch ist auch eine Erfahrung, die ich mit einer Hansestadt in MacPomm gemacht habe. Eigentlich ging es nur um einen simplen Übersetzungsauftrag. Eine Kollegin von mir hatte eine Ausstellung konzipiert und sucht jemand, der die Texte für die einzelnen Exponate in Englisch verfassen könne. Sie gab mir also eine Kontaktadresse und ich meldete mich dort. 

So einfach war das dann aber nicht. Es war schließlich eine Behörde und es musste ein ordentliches Ausschreibungsverfahren stattfinden. Ich bekam also ein amtliches Schreiben und den Link zu einem halben Dutzend an Formularen, die ich ausfüllen und unterschreiben solle. In Papierform natürlich. 

Ich habe mich nicht für den Job beworben. Es war mir einfach zu heikel, mich für einen Job von wenig mehr als einen Tausender auf seitenlange Vertragsklauseln einzulassen, hinter denen letztendlich die Absicht stand, mich für alles mögliche haftbar zu machen und mir irgendwelche Vertragsstrafen anzudrohen. Wobei ich wohl nicht der einzige Übersetzer war, der hier abgewunken hatte. Ein paar Wochen später bekam ich nämlich eine Mitteilung, nach der leider niemand ein Angebot abgegeben hatte. Die Sache sei jetzt bundesweit ausgeschrieben worden und man könne sich über ein - kostenpflichtiges - Portal dafür bewerben. 

So allmählich begreife ich, weshalb kommunale Bauvorhaben meist ein Vielfaches von dem Kosten, was ursprünglich veranschlagt war. Wer sich auf so was einlässt, muss eben ungleich mehr Zeit investieren als für jedes normale Projekt. Und wer das schon einmal gemacht hat, der weiß auch, weiß auch, wie man einen Vertrag so formuliert, dass man am Ende unendlich hohe Zusatzkosten draufsatteln kann.