Freiheit hat ihren Preis. Sicherheit auch.

Wer einfach nur arbeitet, um Geld zu verdienen, verschenkt einen Großteil seines Lebens. Ich bin der Meinung, das Leben ist zu wertvoll, um es mit einer Arbeit zu verbringen, die weder Spaß mach, noch der eigenen Psyche guttut. Und ich bin davon überzeugt, dass man sein Lebensglück nur finden kann, wenn man das Leben selbst in die Hand nimmt und es mit Dingen füllt, die einem wichtig erscheinen und den eigenen Fähigkeiten entsprechen.

Deutschland ist das Land der Mieter. Hier wohnt nur jeder zweite im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung. In Berlin ist es sogar nur jeder siebte. Deutschland ist auch das Land der Angestellten. Die machen rund 89 % aller Erwerbstätigen aus. Beides macht keinen Sinn und beides deutet auf eine Mentalität hin, in der die persönliche Freiheit keinen allzu hohen Stellenwert hat.

Was die meisten Menschen hierzulande suchen, ist vor allem Sicherheit. Dinge wie Selbstverwirklichung, Freiheit und Unabhängigkeit gelten zwar als erstrebenswert. Aber am Ende bleibt man doch beim mäßig bezahlten Job, denn der garantiert immerhin ein regelmäßiges Einkommen. Und man zahlt weiterhin Miete, anstatt sich für Wohneigentum zu verschulden. Man weiß ja nie, was passiert. Lieber kein Risiko eingehen. Sicher ist sicher.

Ich hatte mal einen Steuerprüfer im Haus, der sich einen ganzen Tag lang über meine Unterlagen hermachte. Ich habe ihn gefragt, ob ihm das eigentlich Spaß machen würde. Das wäre eben sein Job, meinte er und wunderte sich geradezu über meine Frage. Im weiteren Gespräch kam es dann heraus, dass es eigentlich nur einen Aspekt gab, den er an seiner Arbeit gut fand: Er wäre Beamter. Er wäre unkündbar. Er hätte bis ans Lebensende ausgesorgt.

Und irgendwann gehst du in Pension und hast dein ganzes Leben lang nichts anderes gemacht, als Regeln zu befolgen und Verordnungen umzusetzen, dachte ich mir. Gelebt hast du eigentlich nur nach Feierabend, am Wochenende und an den genau abgezählten Urlaubstagen.

Manchmal begegne ich den „abhängig Beschäftigten“, wie sie in der Steuererklärung genannt werden. Zum Beispiel, wenn ich einen Termin in Hamburg habe und morgens im Regional Express sitze. Irgendwie sehen sie verschlafen aus, was ja um sieben Uhr morgens auch kein Wunder ist. Die meisten halten sich mit ihrem Handy am Leben, lesen die Nachrichten, checken ihre eMails oder chatten mit irgendjemand über WhatApp. Andere sehen nur stumm ins Leere. Sie verbringen Tag für Tag allein zwei Stunden damit, zu ihrem Arbeitsplatz und wieder nach Hause zu kommen. Das sind 10 Stunden in der Woche, 40 Stunden im Monat, über 500 Stunden im Jahr.

Dieser Zeitaufwand allein fürs Commuting ist verschwendete Lebenszeit. Das sind rund 60 Arbeitstage im Jahr, die man im Bus, in der Bahn oder im eigenen Auto verbracht hat, ohne etwas davon zu haben. Das ist die Arbeitszeit von drei Monaten, einen Vierteljahr.

Oder anders gesagt: ein Freelander im Home Office könnte jeden Tag zwei Stunden länger schlafen, um genauso lange zu arbeiten, wie ein Angestellter. Oder er könnte sich ein Vierteljahr zusätzlichen Urlaub gönnen. Was er natürlich nicht tut, aber manchmal muss man einfach mal nachrechnen, um die Dimensionen zu sehen.

Lebenszeit ist eine endliche und damit eine wertvolle Ressource. Einen Großteil davon verbringen wir mit Arbeit. Da kann es nicht unwichtig sein, was wir in dieser Zeit tun und ob wir dabei Erfüllung und Zufriedenheit finden. Und ob wir in dieser Zeit Dinge tun, die uns Freude machen oder ob solche Tätigkeiten auf die wenigen Stunden beschränkt bleiben , die uns Andere als Freizeit zugestehen. Denn auch jede Stunde, die man mit einer ungeliebten, unbefriedigenden oder krank machenden Arbeit verbracht hat, ist verschwendete Lebenszeit.

Wenn Sicherheit den Preis hat, jeden Tag mit einer ungeliebten Arbeit zu verbringen, ist dieser Preis einfach zu hoch. Zumal diese Sicherheit in Wirklichkeit nur eine sehr bedingte Sicherheit ist. Denn einen festen Job zu haben, heißt in Wirklichkeit nichts anderes, als für ein einziges Unternehmen zu arbeiten. Das ist vergleichbar mit einem Handwerker, der nur einen einzigen Kunden hat. Hat dieser Kunde wirtschaftliche Probleme oder geht er pleite, ist auch die eigene Existenz gefährdet. Genauso wie die Existenz eines Angestellten gefährdet ist, wenn das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage gerät und sich sein Gehalt einfach nicht mehr leisten kann.

Ob das Geld vom Arbeitgeber kommt oder vom Kunden, ist dabei letztendlich egal. Der Vorteil für einen Freiberufler ist allerdings, dass er nicht nur einen Kunden hat, sondern mehrere. Fällt einer aus, ist damit nicht gleich sein gesamtes Einkommen weg. Er muss sich lediglich anstrengen, um Ersatz zu finden. Bei einem Angestellten hingegen entscheiden Andere, ob er Ersatz findet oder nicht. Ist sein Einkommen zu hoch, muss er sich vielleicht mit weniger zufriedengeben. Ist er für die Personaler zu alt, hat er überhaupt keine Chance.

Irgendwie ist es mit dem Leben wie mit dem Geld: Wer auf Nummer Sicher gehen will, bekommt wenig bis gar keine Rendite auf sein Vermögen. Absolut sicher ist sein Geld aber trotzdem nicht. Wer hingegen ein gewisses Risiko nicht scheut, hat zumindest die Chance auf ein besseres Ergebnis. Er kann sogar richtig reich werden. Wobei es immer Möglichkeiten gibt, Risiken zu begrenzen und die totale Katastrophe zu vermeiden.

Jeder hat natürlich seine eigene Persönlichkeit und damit seine eigenen Motive, Lebensziele und Möglichkeiten. Wenn dabei Freiheit und Unabhängigkeit nicht ganz oben auf der Liste stehen, ist das eben so. Aber man sollte dazu stehen und nicht auf andere neidisch sein, die mehr gewagt und mehr gewonnen haben. Wenn diese Eigenschaften jedoch fester Bestandteil des eigenen Ichs sind, sollte man an ihrer Verwirklichung arbeiten. Denn nichts ist schlimmer als das eigene Leben mit den Worten zu beenden: „Hätte ich doch …“.