Werbung ist OK, solange sie nicht nervt

Im Papierzeitalter konnte man Werbung einfach überblättern. Hängen blieb nur, was ins Auge stach, oder was einem ohnehin interessierte. In der digitalen Welt sieht das völlig anders aus. Da werden Videos brutal mit Commercials unterbrochen, ständig poppen irgendwelche Fenster auf und bei manchen Nachrichtenmedien ist es kaum möglich, sich auf einen Text zu konzentrieren, weil ringsherum viele bewegte Bilder um Aufmerksamkeit buhlen. Das kann es eigentlich nicht sein.

Werbung ist immer ein Balanceakt. Ganz besonders dann, wenn man sich ihr nicht entziehen kann. Neben dem Programm selbst ist auch das der Grund, weshalb Sat1, RTL & Co. In meiner Senderliste ganz hinten stehen. Ich hasse es einfach, wenn ein Film unterbrochen wird und mir irgend jemand irgendwelche Angebote ins Wohnzimmer brüllt. Und ich bin mir sicher, dass ich da nicht der Einzige bin. 

Interessant ist allerdings, was The Trade Desk dazu herausgefunden haben will. Es ging um Streaming-Dienstleister und es wurden 1.000 Erwachsene befragt. 84 % davon zeigten sich offen für Werbeunterbrechungen, wenn das Angebot dadurch billiger würde. 51 % würden sogar eine rein werbefinanzierte Variante vorziehen, anstatt Abogebühren zu zahlen. Das sind vermutlich genau die, die es vom Free-TV her schon so gewohnt sind. 

Bei den Nachrichten-Medien sieht es nicht anders aus. Es gibt so gut wie keinen Verlag, der mit seinem Online-Angebot Geld verdient. Aber das liegt nicht nur am Geiz der Leser. Es liegt vor allem an einer veränderten Medienwelt. Warum sollte man auch eine Zeitung abonnieren, wenn dahinter ohnehin nur das Redaktionsnetzwerk Deutschland steckt? Warum sich auf einen einzigen Titel beschränken, wenn man per Feedly oder Google News die ganze Meinungsvielfalt haben kann? 

Ich bin der Meinung, dass die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage ihre besten Zeiten hinter sich haben. Das seit über hundert Jahren übliche Geschäftsmodell hat ausgedient. Mit Abonnements und Werbung Geld zu verdienen funktioniert nicht mehr, seitdem alle nur noch auf ihr Handy oder Tablet gucken. Wenn daher Zeitungen glauben, die Leser mit Bezahlschranken zwingen zu können, für Nachrichten zu bezahlen, sehe ich darin nur noch ein verzweifeltes Rückzugsgefecht in einem längst verlorenen Kampf. Genauso wie der Versuch, Nachrichten urheberrechtlich zu schützen. Oder das Bestreben, von News-Portalen, Geld für jeden Link zu verlangen.

Aber zurück zur Werbung: Das Schlimmste sind ja Portale wie Merkur, die ganz offensichtliches Click-Baiting betreiben. Da wird mit einer reißerischen Headline interessanter Content versprochen und am Ende landet man in einem aggressiven Werbeumfeld und stellt fest, dass man eigentlich hereingelegt worden ist. Ich bin sicher nicht der Einzige, der auf Headlinesn aus dieser Ecke gar nicht mehr reagiert. Mein Tool ist Feedly, weil ich mir dort selbst zusammenstellen kann, von wem ich worüber informiert werden will. Es beginnt praktisch kein Tag ohne einen ersten Blick auf die Nachrichtenlage.

Wobei ich mich immer wundere, ob den Werbetreibenden eine grundlegende Sache nicht bewusst ist: Die meisten Leser benutzen heute Mobilgeräte, auf denen der Text eigentlich immer zu klein dargestellt wird. Also nutzen sie die Zwei-Finger-Geste und zoomen ihn Format füllend heran. Damit ist aber nicht nur der Text besser lesbar. Es verschwindet auch die ganze Werbung am linken und rechten Rand. Wofür also die Mühe? 

Genauso wie Online-Shopping allmählich den klassischen stationären Handel zu verdrängt, sind Online-Newsportale dabei, die Verlagslandschaft aus ihrem Fundament zu reißen. Der Stern bestand früher zu zwei Dritteln aus Werbung. Heute ist die Printausgabe nicht nur im Format geschrumpft. Sie ist auch kein nennenswerter Werbeträger mehr und man kann wohl davon ausgehen, dass das einst große Reportageblatt denselben Weg nehmen wird, wie in den 70er Jahren die weltberühmte Life.

Die klassische Print-Anzeigenwerbung ist heute nicht mehr allzu bedeutend. Bannerwerbung (oder wie immer die verschiedenen Online-Werbeformen heißen) kann sie nur ungenügend ersetzen. Es hat daher gute Gründe, weshalb sich immer mehr große Marken von der klassischen Werbung zur gezielten Kommunikation gewechselt haben. Man findet sie nicht mehr in den Nachrichtenkanälen, sondern in der Blogger-Szene oder bei Youtube. Das sind die Orte, an denen heute Marketing-Kommunikation stattfindet. Denn die Konsumenten gehen mittlerweile nicht mehr in den Laden, um sich von einem Verkäufer irgend etwas „empfehlen“ zu lassen. Sie gehen zu Google, um alles Wissenswerte zu erfahren. Und sie sehen sich Youtube-Videos an, um sich zwischen mehreren Alternativen zu entscheiden. 

Dass dann der Klick zu Amazon logischer ist als der Zeit raubende Weg ins nächste Einkaufszentrum, liegt auf der Hand.