Was ist eigentlich aus all den Prospekten geworden?

Wenn ich mir früher einen Fernseher, eine Stereoanlage oder ein Auto kaufen wollte, ging ich erst mal zum Händler und holte mir ein paar Prospekte. Produktprospekte waren die Essentials im Marketing-Mix und jedes Mal, wenn ein Unternehmen etwas Neues auf den Markt bringen wollte, wurde erst mal ein Produktprospekt gedruckt. Doch irgendwie scheint das alles vorbei zu sein und das kann man durchaus positiv sehen. 

In den neunziger Jahren betrat man ein Autohaus und das erste, was man sah, war ein Prospektständer. Der Händler hatte vielleicht nicht alle Modelle im Showroom, aber einen Prospekt konnte man sich immer mitnehmen. Wenn wieder mal ein Autokauf anstand, war daher erst einmal das Studium von Hochglanz-Prospekten angesagt. Man bestaunte die aufwendig in Szene gesetzten Modelle, studierte technische Daten, kämpfte sich durch die Preisliste und kam irgendwann zu seiner Entscheidung.

Ich beschäftigte mich damals mit Consumer Electronics und verbrachte die meiste Zeit damit, rechtzeitig zur nächsten Messe den neuesten Produktprospekt zu texten. Denn so ein Prospekt war enorm wichtig. Er war das einzige Medium, über das ein Unternehmen über den Händler hinweg direkt mit seiner Zielgruppe kommunizieren konnte. Nicht nur im Consumer-Bereich, sondern auch, wenn es um Verpackungsmaschinen oder irgendwelche hoch technischen Anlagen ging. 

Ging ein Vertreter zum Kunden, dann kam er nie mit leeren Händen und hatte immer eine Druckschrift dabei. Unzählige Werbeagenturen waren bis zum Jahrtausendwechsel pausenlos damit beschäftigt, Image-Prospekte und Produktprospekte zu produzieren. Es gab schließlich immer etwas Neues und wer nicht wirbt, der stirbt. 

Wie gesagt, bis zum Jahrtausendwechsel. Damals lebte man eben noch im Papierzeitalter und wer kommunizieren wollte, musste eben Papier bedrucken und selbiges irgendwie zu seiner Zielgruppe bringen. 

Doch als das Internet kam, waren die Tage des aufwendig bedruckten Papiers gezählt. Seitdem sterben immer mehr Zeitungen, weil keiner mehr für Nachrichten auf Papier Geld ausgeben will. Verlage gehen ein, weil der Umsatz im Keller ist und die Aussichten düster sind. Wer heute etwas wissen will, der geht online, besucht Vergleichsportale, liest die Meinungen der Blogger, sieht sich Youtube-Videos an und holt sich das Detailwissen direkt beim Hersteller. Prospekte gibt es zwar noch, aber sie haben ihre Bedeutung verloren. Und im Autohaus muss man mittlerweile extra danach fragen, wenn man einen haben will. 

Irgendwie ist es dasselbe wie bei den Büchern. Die ältere Generation schwört noch auf das gedruckte Exemplar, das man greifen kann, das nach Papier riecht und in das man Eselsohren knicken kann. Die Rentner hier in Travemünde nehmen morgens beim Bäcker noch immer die „Bild“ mit, weil sie das immer getan haben. Alle anderen haben Tablets, eBook-Reader oder zumindest ein Handy und würden nicht im Traum daran denken, ein sperriges Buch in den Urlaubskoffer zu packen. 

Ich habe zwar schon getextet, als man dafür noch eine laut klappernde Schreibmaschine benutzte. Aber ich trauere den alten Zeiten nicht nach. Denn machen wir uns nichts vor, Marketing-Texte sind kurzlebige Texte. Was ich heute schreibe interessiert in ein paar Monaten niemand mehr und ist nächstes Jahr bereits völlig veraltet. Dafür ist Papier eigentlich nicht das richtige Medium. So etwas kommuniziert man besser in digitaler Form. Ohne Bäume zu fällen. Ohne Druckvorlagen herzustellen. Ohne tonnenschwere Druckmaschinen anzuwerfen. Ohne erst riesige Papierrollen zur Druckerei und dann palettenweise Prospekte, Zeitschriften und Bücher zur Zielgruppe zu transportieren. 

Für kurzlebige Nachrichten, Marketing-Literatur, Unterhaltung oder Wissen mit begrenzter Gültigkeit ist Papier das Medium von gestern. Meinen letzten Autoprospekt habe ich mir daher nur noch als PDF heruntergeladen und auf dem Bildschirm gelesen. Mein altes Bücherregal gibt es nicht mehr. Was ich ohnehin nicht mehr lesen werde, hat den letzten Umzug nicht überlebt. Ein paar Erinnerungen habe ich zwar noch behalten. Aber all die Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe und in Zukunft lesen werde bestehen nur aus Dateien und liegen auf meinem Tablet.

Um sich zu informieren, Musik zu hören, Filme zu sehen oder auch ein gutes Buch zu lesen, braucht man heute keine Materie mehr. Dafür genügt das ohnehin vorhandene Smartphone, Tablet oder Notebook.