Kommunikation am Puls der Digitalisierung

Über Digitalisierung wird zwar viel geredet, aber nur wenige wissen, was es damit wirklich auf sich hat. Dabei ist Digitalisierung ein schleichender Prozess, der schon seit vielen Jahren im Gange ist. Dass er erst jetzt allmählich den Mainstream erreicht, hat vor allem damit zu tun, dass sich die damit verbundenen Veränderungen mittlerweile auch im Alltag bemerkbar machen. 

In der Kommunikationsbranche begann die Digitalisierung bereits Anfang der 90er Jahre. Als ich in die Branche einstieg, machte gerade der Begriff Desktop-Publisching die Runde. Produktionsprozesse veränderten sich radikal. Grafik-Designer ließen Papier und Stifte liegen und arbeiten fortan am Monitor. Fotografen schrieben Dateien, anstatt Kodachrome-Filme zu belichten. Setzereien machten Reihenweise zu, denn keiner brauchte sie mehr. Besprechungen vor Ort wurden überflüssig, denn man verschickte einfach ein PDF und jeder konnte damit arbeiten. Heute ist das der Standard. Damals kostete es tausenden von Menschen den Job. 

Das Publikum hat davon nichts mitbekommen. Die Konsumenten lasen weiterhin Zeitschriften und blätterten in Prospekten. Sie merkten erst ein Jahrzehnt später, dass etwas im Umbruch war. Der sichtbare Teil der Digitalisierung waren Computer im Home Office und Online-Banking. Das Papierzeitalter neigte sich dem Ende zu. Ganze Branchen verschwanden. Andere änderten radikal ihr Gesicht. Neue Berufe entstanden, andere wurden überflüssig. 

Für mich war es spannend, dabei zu sein, über neue Technologien zu schreiben, Veränderungen zu begleiten. 

Mittlerweile hat die Digitalisierung so gut wie jede Branche, jedes Unternehmen und jeden Beruf erfasst. Praktisch alle administrativen und industriellen Prozesse werden heute in einem Computersystem abgebildet. Routineaufgaben laufen automatisch ab. Algorithmen bestimmen Entscheidungen, Kredite werden vom Computer bewilligt, Bestände werden digital überwacht und Bestellungen automatisch ausgelöst. Die Kassiererin im Supermarkt muss keinen Preis mehr eintippen, sondern nur noch einen Barcode scannen und es ist absehbar, dass auch das bald der Vergangenheit angehört.

Ich kenne nicht alle Branchen, aber die Automobilindustrie konnte ich über viele Jahre beobachten. Anfang der 90er Jahre sah ich zum ersten Mal ein Montagewerk von innen. Das war bei Mercedes in Sindelfingen. Damals war die Montagehalle noch voll mit Menschen. Ein ganzes Dutzend wurde für die Hochzeit von Karosserie und Fahrwerk gebraucht. Andere setzten Karosserieteile zusammen, schraubten Türen an und setzten Instrumententafeln ein. Der Lärm war erheblich und gleichbleibende Qualität war ein echtes Problem. 

Mein letzter Besuch war ein Montagewerk in Bremen. Das war 2018. Menschen waren da eher selten und wenn, dann waren sie damit beschäftigt, irgendetwas zu überwachen oder irgendein Problem zu lösen. Ansonsten hatten Roboter die Montage übernommen. Sie taten stundenlang stur, was man ihnen beigebracht hatte und arbeiteten dabei immer mit derselben Präzision. All die monotonen Fabrikjobs waren verschwunden. Wie viele das waren, weiß ich nicht. 

Doch die Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende. Das neuesten Buzzword heißt Industry 4.0 und steht für eine Revolution der Automatisierung. Ich hatte das Glück, schon früh für einige Unternehmen zu arbeiten, die aktiv daran beteiligt waren. 

Ein Thema war zum Beispiel die störungsfreie Prozessanlage. Früher saßen die Männer am Prozessleitstand wie auf Kohlen, denn es konnte jederzeit irgendetwas ausfallen und den gesamten Prozess lahmlegen. Dann war Stress angesagt, die Anlage musste heruntergefahren werden, Monteure mussten ausrücken und vor Ort nachsehen, was los ist. Die Produktion stand still, der Produktionsausfall war erheblich. 

Als ich den ersten Artikel über Ethernet APL schrieb, wurde mir schnell klar, dass sich das alles bald ändern würde. Diese Technologie machte eine Prozessanlage transparent bis zum letzten Feldgerät. Jedes Ventil, jeder Antrieb, jeder Sensor und jedes Messgerät wird künftig ständig seine Betriebsparameter senden. Preventive Maintenance war geboren. Man musste nicht mehr warten, bis ein Feldgerät seinen Dienst aufgab. Man konnte jeden bedenklichen Betriebszustand schon lange vorher erkennen und das Gerät einfach während der nächsten Routinewartung austauschen. 

Auch das ist Digitalisierung und für die Prozessindustrie ist es eine Revolution. Anlagenausfälle werden damit eine seltene Ausnahmeerscheinung sein. Das Kraftwerk, die Chemieanlage oder die Pharmaproduktion kann ohne wiederholte Störungen laufen. Die Produktivität steigt. Die Nachhaltigkeit ist sichergestellt. Umweltkatastrophen sind so gut wie ausgeschlossen. Davon bekommen zwar nur wenige Experten etwas mit, aber irgendwie profitiert jeder davon. Monotone, körperlich anstrengende und potenziell gefährliche Jobs verschwinden. „Montagsautos“ und andere menschliche Unzulänglichkeiten sind Vergangenheit. Produkte werden besser, langlebiger und individueller. Lohnkosten verlieren an Bedeutung und die heimische Produktion wird wettbewerbsfähiger. Die Abhängigkeit von störanfälligen globalen Lieferketten nimmt ab. 

Genauso faszinierend ist der Teil der Digitalisierung, der mit Big Data und dem Internet of Things zu tun hat. Big Data heißt nichts anderes, als die Fähigkeit, riesige Datenmengen in konkrete Informationen und damit in Wissen und Erkenntnisse zu verwandeln. Und das live, online und innerhalb von Sekunden. Eine Anwendung dafür ist das selbstfahrende Auto. Eine andere sind intelligente Verkehrssysteme, die mit jedem einzelnen Fahrzeug kommunizieren und auf interaktive Weise den Verkehrsfluss steuern. Im Vorfeld des Hamburger Weltkongresses für intelligente Transportsysteme konnte ich dazu eine ganze Reihe von Projektberichten schreiben. 
Das Leben eines Texters ist eben ungemein spannend. Ständig ist man mit Entwicklungen konfrontiert, von denen Andere noch gar keine Ahnung haben. 

Vor einigen Monaten habe ich ein Auto übernommen. Es ist eigentlich nur Mittelklasse, aber es kann Verkehrsschilder am Straßenrand lesen und macht mich darauf aufmerksam, wenn ich zu schnell bin. Es erkennt, wenn ich mit zu geringem Abstand zum Vordermann fahre und bremst einfach ganz von allein, wenn es kritisch wird. Es kann sich sogar ganz allein in eine Parklücke einfädeln, während ich mich bequem zurücklehne. Für einen Technikfreak wie mich ist das alles faszinierend. Aber für den Texter in mir ist es eigentlich schon Technik von gestern. 

Wobei mein Wissensdurst unstillbar ist und ich immer bereit bin, mich in Dinge einzuarbeiten und darüber zu schreiben, von denen ich bisher keine Ahnung habe.