Nur was man liebt, macht man wirklich gut

Beruf sollte eigentlich Berufung sein

Eigentlich ist es doch traurig, wenn man Tag für Tag einer Arbeit nachgeht, zu der man keinen Bezug hat, die man nicht mag und die man eigentlich nur tut, weil es am Monatsende Geld dafür gibt. Traurig und doch für viele Menschen die täglich erlebte Wirklichkeit.

Ich bin sogar davon überzeugt, dass es die meisten Menschen sind. Sie freuen sich am Morgen schon auf den Feierabend und können es eigentlich von Montag bis Freitag lang kaum erwarten, dass endlich Wochenende ist. Ihr eigenes Leben – also den Teil ihres Lebens, der ihnen etwas bedeutet – findet eigentlich nur nach Feierabend statt. Manche blühen dann förmlich auf und stürzen sich in Aktivitäten, die man gemeinhin als Hobby bezeichnet. Darum kreisen dann auch ständig ihre Gedanken und das ist es auch, was die eigentliche Freude in ihrem Leben ausmacht.

Dabei sind solche Lebenswege meist kein Schicksal, sondern das Ergebnis einer ganz bewussten Berufsentscheidung. Wenn sich ein junges Mädchen zu einer Ausbildung als Friseuse, Verkäuferin oder Arzthelferin entscheidet, weiß es schließlich von Anfang an, dass es in diesem Beruf weder richtig Geld verdienen, noch die ganz große Erfüllung finden wird. Und wenn ein Diplomingenieur ausgerechnet eine Beamtenlaufbahn wählt, dann reizt ihn daran vielleicht der sichere Job bis ans Lebensende. Aber er weiß auch, dass ihm ein ziemlich reizloses Berufsleben zwischen Vorschriften und Vorschriften bevorsteht.

Und so verbringen sie dann den schönsten Teil des Tages mit einer Arbeit, die ihnen keinen Spaß macht und für die sie auch keine Begeisterung aufbringen können. Sie leben nach Tarifvertrag, fahren jeden Morgen mit all den anderen zu ihrem Arbeitsplatz, machen genau dreißig Minuten Mittagspause und müssen ihre genau abgezählten Urlaubstage schon im Januar „beantragen“. Sie stürzen sich in den Autobahnstau, sobald ein verlängertes Wochenende ansteht, strampeln abends im Sportstudio, wenn es all die anderen auch tun, und sind genau dann im Einkaufszentrum zu finden, wenn es so richtig voll ist.

Die schlimmste Sorte unter den Unmotivierten findet man bei den Behörden. Dort wühlen sie sich durchs Papier und füllen jeden Tag haargenau dieselben Formulare aus. Sie tun was man ihnen sagt, arbeiten nach Vorschrift und verschwenden keine Gedanken an die Folgen ihres Tuns. Wenn der Tag rum ist, haben sie ihre Pflicht getan und das war‘s auch schon. Sie haben keine Probleme aus dem Weg geräumt, keine Lösungen gefunden, kein Projekt vorangebracht. Sie haben eigentlich nichts Konstruktives geleistet. Und das Tag für Tag, ein ganzes Leben lang.

Ich muss dabei an einen Bauingenieur denken, für den ich vor einiger Zeit die Website getextet habe. Er hatte es nicht leicht als Freiberufler und war hell begeistert, als ihm eines Tages eine Stelle beim Bauamt angeboten wurde. Auf dem Amt zu arbeiten bedeutete zwar weniger Verdienst. Aber es war auch ein sicherer Job mit regelmäßigen Arbeitszeiten und festem Einkommen. Ein Leben ohne Stress, Existenzängste und Geldsorgen. Doch er hat es nicht lange ausgehalten.

Er war Ingenieur. Er war es gewohnt, konstruktiv zu arbeiten, Ideen zu verwirklichen, das Unmögliche möglich zu machen. Das war zwar manchmal Stress, aber es gab ein Gefühl von Stolz und Zufriedenheit. Auf dem Bauamt hingegen dachte niemand an Lösungen. Hier ging es um Paragrafen und Vorschriften. Sinn und Unsinn spielten dabei keine Rolle. Konstruktives Denken war unbekannt. Da konnte es schon einmal passieren, dass ein Sachbearbeiter seelenruhig in Urlaub ging, während eine Großbaustelle eingestellt werden musste oder einem privaten Bauherrn die Kosten für sein bescheidenes Eigenheim davonliefen.

Als ich mit dem Bauingenieur zusammentraf, hatte er gerade beim Bauamt gekündigt. Er konnte dort einfach nicht länger arbeiten. Er sehnte sich geradezu nach sinnvoller, kreativer, konstruktiver Arbeit. Er wollte Neues schaffen und nicht Ideen zerstören. Er wollte zu Lösungen beitragen und an Alternativen mitarbeiten. Ich glaube, er hat ganz einfach gemerkt, dass es ganz entscheidend ist, womit man die schönsten Stunden des Tages ausfüllt. Und dass man es nie schaffen wird, glücklich und zufrieden zu sein, wenn man sein Leben nicht mit Dingen füllt, zu denen man steht und die einem wichtig sind.


Lebenskunst besteht darin, die eigene Natur
mit der eigenen Arbeit in Einklang zu bringen.
Luis Ponce de Léon


Vielleicht ist genau das der Grund, weshalb ich nie daran gedacht habe, wieder einen festen Job anzunehmen. Wirtschaftlich gesehen habe ich als Freelancer sowohl luftige Höhenflüge als auch herbe Abstürze erlebt. Inhaltlich gesehen habe ich jedoch immer eine Arbeit gemacht, die mir liegt, die meinen Fähigkeiten entspricht und die mir Spaß macht. Es war ein spannendes Arbeitsleben und es ist noch immer ein nicht enden wollender Lernprozess.

Kennen Sie einen Musiker, der irgendwann in Rente ging und nie wieder ein Instrument anfasste? Ist Ihnen ein Künstler bekannt, der sich zu alt für die Kunst hielt und einfach aufhörte, kreativ zu sein? Können Sie sich einen Schriftsteller vorstellen, der irgendwann beschließt, nur noch Bücher zu lesen, anstatt selbst welche zu schreiben? Nein, so verhalten sich vielleicht Buchhalter und all die anderen Langweiler, die sich schon ab Vierzig auf die Rente freuen. Kreative Menschen sind mit Herzblut bei der Sache. Sie leben mit und für ihren Beruf. Sie kennen keine strikte Trennung zwischen Freizeit und Arbeitszeit. Zwar arbeiten sie meist mehr als die anderen. Aber sie zählen nur selten zu denen, die unter Stresssymptomen leiden oder sich einen Herzinfarkt holen.

Vor allem aber: Wer seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat, wird ein Leben lang arbeiten, ohne es als Arbeit zu empfinden. Und wer sich mit den Dingen beschäftigt, die er schon immer tun wollte und die seinen ganz persönlichen Fähigkeiten entsprechen, wird seine Arbeit lieben und ganz besonders gut darin sein.