Corona: Home Office in Zeiten der Ausgangssperre

Nennen wir es ruhig Ausgangssperre. Obwohl es eher die Light-Version davon ist. Für viele Unternehmen hat das Ereignis zu einem Umdenken geführt, das früher nie denkbar gewesen wäre. Plötzlich geht es doch, das Arbeiten im Home Office. Sogar mein Finanzamt hat die Mitarbeiter mit dem Notebook nach Hause geschickt. Nur für all jene, die wirklich vor Ort arbeiten müssen, ist es halt ein Problem. Für mich ist die Arbeit von zu Hause schon seit fast 30 Jahren Alltag.

Ganz ehrlich, Corona und die Folgen bekomme ich eigentlich nur aus den Medien mit. Oder wenn ich in den Supermarkt gehe und das Eine oder Andere fehlt. Ansonsten verläuft mein Arbeitstag eigentlich wie immer. Mit dem Unterschied, dass es an der Auftragsfront deutlich ruhiger ist und ich jetzt viele Dinge erledigen kann, für die ich sonst kaum Zeit finde. Diesen Artikel zu schreiben, zum Beispiel.

Freiberuflern geht ja der Ruf voraus, sie würden so arbeiten, wie andere Urlaub machen. Aber das ist natürlich eher der Neid der Anderen. Es ist eben ein Vorteil, wenn der Arbeitsplatz gleich nebenan ist und man sich jeden Tag schon mal gut eine Stunde Autofahrt erspart, nur um den Computer einschalten zu können. Und es kann durchaus reizvoll sein, wenn die starren Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit nicht mehr gibt, weil eines irgendwie in das andere übergeht. Aber wo viel Licht ist, gibt es immer auch Schatten.

Ein Thema sind zum Beispiel menschliche Kontakte. Die allermeisten meiner Kunden habe ich noch nie gesehen. Ich könnte sie auf der Straße treffen und würde sie nicht erkennen. Die digitale Workforce von heute kommuniziert eben per eMail. Da ist eine gelegentliche Telefonkonferenz schon fast ein Highlight. Und wenn ich mal jemand vor Ort besuchen kann, ist das geradezu ein Betriebsausflug.

Es gibt Tage, da habe ich mit keinem einzigen Menschen gesprochen. Und wenn mich dann doch jemand anruft, dann hört sich meine Stimme komisch an, weil meine Stimmbänder irgendwie außer Übung sind. Ich muss mich dann erst mal räuspern, um im Hals wieder alles freizumachen.

Eine Zeit lang habe ich in einem Coworking-Space hier in Lübeck gearbeitet. Da hatte ich dann Kontakte mit anderen, konnte an der Kaffeemaschine mal ein paar Worte wechseln und auch die eine oder andere Veranstaltung besuchen. Aber irgendwie konnte ich mich nicht richtig konzentrieren und ein großes Stück Freiheitsgefühl ging auch verloren. Also dauerte der Versuch nicht allzu lange.

Ich muss sagen, ich fühle mich recht wohl zwischen meinen drei Monitoren, die über einem sonst eher leeren Schreibtisch schweben. Papier gibt es nämlich hier kaum noch. Meine Texte bleiben meist virtuelle Substanz und sind Teil des Gedankenfutters, mit dem eine digitale Welt tagtäglich versorgt werden will. Gedruckt werden sie nur noch selten. Dafür ist das, was darin steht, viel zu kurzlebig und wird bestenfalls ein paar Monate auf den Monitoren erscheinen, um danach für immer vergessen zu werden.

Kommunikation ist eben nicht für die Ewigkeit, sondern ein Vorgang, der mit dem Hier und Jetzt zu tun hat. Da geht es nicht um die ganz großen Philosophien und tiefen Gedanken. Es geht um aktuelle Entwicklungen, faszinierende Neuigkeiten, zukunftsträchtige Veränderungen. Also um all das, was den Fortschritt des Lebens darstellt. Und dafür war Papier eigentlich schon immer viel zu Schade und die schwerfällige Kommunikation über tonnenschwere Druckmaschinen viel zu aufwendig.

Wie schon die Musik und der gute alte Kinofilm hat sich eben auch das geschriebene Wort mittlerweile von der Materie gelöst. Früher konnte man Musik nur von der Schallplatte und später der CD hören. Filme brauchten zumindest eine DVD, um auf dem heimischen Screen zu erscheinen. Und Bücher waren eben das, was sie immer waren: bedrucktes Papier zu handlichen Stapeln gebunden. Heute besteht all das nur noch aus Pixeln und dem Notebook, Tablet oder Handy ist es ziemlich egal, ob es ums Hören, Sehen oder Lesen geht.

Aber früher habe ich ja meine Texte auch noch auf der Schreibmaschine geschrieben, zum Setzer gebracht und Druckfahnen korrigiert. Heute geschieht alles hier vorm Monitor und eigentlich müsste niemand in irgendein Büro gehen, sondern alle könnten bequem vom Home Office aus arbeiten. Ein Gedanke, der vielleicht nach Corona ein gutes Stück tiefer in das Bewusstsein der Menschen und Unternehmen vordringen wird.