Kaum vorstellbar: Texten auf der Schreibmaschine

Als ich in den 80er Jahren bei einer Firma namens Schaub-Lorenz anfing (später stand der Name Nokia auf dem Dach) stritten die Computerfreaks gerade darüber, ob der Amiga besser sei oder man doch lieber den Atari nehmen sollte. Richtig arbeiten konnte man mit beiden nicht und so tippte ich meine ersten Texte auf einer IBM Kugelkopf-Schreibmaschine.

Nun hat eine Schreibmaschine einen großen Nachteil: Alles, was man damit schreibt, steht sofort auf dem Papier. Einen Satz nochmal zu überarbeiten ist ein ziemlicher Aufwand. Man kann nämlich entweder die ganze Seite nochmal schreiben oder man kleistert Tipp-Ex auf die unerwünschte Passage und hämmert die neue Variante darüber.

Tipp-Ex, das sollte ich vielleicht den jüngeren unter meinen Lesern erklären, ist eine Art weiße Farbe, die im Schreibmaschinen-Zeitalter dafür benutzt wurde, um Tippfehler zu übertünchen, damit man nicht jedes Mal den kompletten Text neu schreiben musste. Das Zeug wurde in kleinen Plastikfläschchen geliefert. Im Schraubverschluss war ein kleiner Pinsel, mit dem man die Farbe auf das Papier auftragen konnte. Es gab Tipp-Ex auch in Form von kleinen Papierblättchen, auf die eine Farbschicht aufgebracht war. Das legte man dann zwischen Papier und Typenhebel und tippte jeden falschen Buchstaben noch einmal, sodass er weiß und damit fast unsichtbar wurde.

Texten war also damals eine ziemlich mühsame Angelegenheit. Wie auch der übrige Arbeitsprozess vom Manuskript zum gedruckten Prospekt, den ich hier näher beschrieben habe.

Privat hatte ich übrigens eine Gabriele. Das war eine kompakte Koffer-Schreibmaschine von Olympia, die ich fast immer dabei hatte. Fast so, wie man heute ein Tablet überall mit hinnimmt. In der Werbeabteilung von Schaub-Lorenz gab es, wie gesagt, die große und schwere IBM Kugelkopf, die damals der Stolz jeder Sekretärin war. Aber mit einer einfachen Tippse wollte ich mich natürlich nicht vergleichen. Schließlich saß ich dort oben unter dem Dach bei all die anderen Werbefritzen, die irgendwie nicht so recht in einen Industriebetrieb passen wollten.

Man sagte uns übrigens nach, wir würden den ganzen Tag nur Schampus trinken, um unseren Hirnen ein paar gute Werbeslogans zu entlocken. Dabei hatte Schaub-Lorenz gar keinen Slogan. Apple gab es übrigens damals auch schon. Schaub-Lorenz war sogar deutscher Vertriebspartner der Jungs aus der Garage in Cupertino. Wir waren die Ersten, die hierzulande den Apple II anboten. Das war gewissermaßen der Urahn aller Apples, für den man sich seine Programme noch selbst programmieren musste. Also auch nichts für den Arbeitsalltag eines Texters.

Mein erster richtiger Computer stammte von einer amerikanischen Firma, die von einem Chinesen namens Wang gegründet worden war. Auf meinem Schreibtisch sah man davon allerdings nur einen Monitor (mit grüner Schrift auf schwarzem Grund) und eine Tastatur. Damit konnte man schon richtige Texte schreiben (und auch wieder löschen und überschreiben), die dann im eigentlichen Computer gespeichert wurden, der irgendwo in der IT-Abteilung stand. Der Wordprocessor war allerdings recht primitiv, aber immerhin konnte ich meine Texte bereits auf Diskette an die Setzerei schicken, damit die dort von einem Setzer nicht nochmal abgetippt werden mussten. Das war immerhin eine Fehlerquelle weniger.

Meinen ersten „richtigen“ PC erhielt ich Anfang der 90er Jahre. Ich habe schwer dafür gekämpft, denn die IT waren der Meinung, mit so einem Personal Computer wollten sie nichts zu tun haben. Sie beschäftigten sich lieber mit ihrem IBM Mainfame, der einen ganzen klimatisierten Kellerraum brauchte und nicht viel mehr konnte, als Rechnungen und kilometerlange Listen auszudrucken.

Auf meinem PC hingegen lief Star Office. Das Textprogramm wurde von der Berliner Star Division vertrieben. Das Unternehmen ging später in Sun Microsystems über und Star Office wurde zum Standard auf zahlreichen Unix-basierten Systemen. Im Laufe der Jahre entstand daraus Libre Office, das quelloffene Standard-Office-Paket der Open-Source-Welt.

Ich habe natürlich sämtliche Mutationen der Computerwelt durchgemacht. Vom zeichenorientierten Microsoft DOS über sämtliche Windows Varianten bis zu Linux. Mit Apple konnte ich mich nie richtig anfreunden, weil mir die Abhängigkeit nicht gefiel, in die das Unternehmen seine Kunden treibt.

Mein erster privat gekaufter Computer war ein Olivetti M20. Doch die Entscheidung wurde ein paar Monate zu früh getroffen, denn kurz darauf entwickelten sich die „IBM kompatiblen“ Computer zum weltweiten Standard und mein 4000 Mark teures Gerät mit zwei Diskettenlaufwerken war nur noch Computerschrott. Anfang der 90er Jahre habe ich unzählige Computer selbst zusammengebaut und betrieb zu Hause sogar ein kleines Netzwerk mit 4 Maschinen im Büro, Wohnzimmer und den Kinderzimmern. Ich hatte eben schon immer einen ausgeprägten Spieltrieb.

2010 hieß es dann back to the roots. Windows mit seinem ständigen Virenproblemen nervte mich zunehmend. Nach der gefühlt hundertsten Neuinstallation riet mir ein IT-Administrator, es doch einmal mit Linux zu versuchen. Programmierer arbeiten fast alle mit Linux, meinte er, und auch praktisch alle Internet-Server der Welt basieren auf Linux. Android ist auch Linux. Genauso wie praktische alle IoT-Geräte von meinem Saugroboter bis zum Navi im Auto. Ganz China arbeitet mit Linux, um von den amerikanischen Spy-Programmen unabhängig zu sein, bei denen man ja nie weiß, welche Daten über den Teich geschickt werden.

Um es kurz zu machen: heute gibt es hier im Haus vier Rechner, die alle mit Linux laufen. Auf einem davon ist noch Windows installiert, das ich aber nur nutze, wenn ich es mit einer Datei zu tun habe, die sich nur mit Windows Software öffnen lässt. Aber das kommt bei einem Texter nur äußerst selten vor. Computer-Abstürze bis zum Blue Screen kenne ich seitdem nicht mehr. Mit Viren habe ich auch nicht mehr zu tun.

Linux-Software besteht aus freien Open Source-Programmen. Bin ich mit einem Programm zufrieden, schicke ich aber schon mal eine Spende an seine Macher. Für einige Programme habe ich als kleines Dankeschön auch kostenlos die deutsche Lokalisierung vorgenommen. Das Leben ist ein ständiges Nehmen und Geben und ich will keiner sein, der nur nimmt.

Aber wenn ich an meine Anfänge als Texter zurückdenke, dann kann ich mir eigentlich kaum noch vorstellen, wie Zeit raubend und umständlich ich damals gearbeitet habe. Aber das Papierzeitalter ist endgültig Vergangenheit (nur die Behörden haben es noch nicht gemerkt) und ich bin noch immer gespannt, was noch kommt. Ich bin eben von Natur aus neugierig und der Spieltrieb ist seit der Zeit der Spielzeugeisenbahn noch uneingeschränkt aktiv.