Die Elektromobilität ist noch lange nicht ausgereift

Die technische Weiterentwicklung scheint keine Grenzen zu kennen und auch ich musste schon mehrmals erkennen, dass meine Überzeugungen wohl auf Dauer nicht haltbar sein werden und das Unmögliche von gestern die Realität von morgen bestimmen wird. So auch bei der Elektromobilität, der ich nach wie vor recht kritisch gegenüberstehe.

Momentan belächele ich sie ja noch, die E-Auto-Käufer, die sich einen lautlosen Winzling kaufen, mit dem sie gerade mal bis zur Stadtgrenze kommen. Ich habe schon ironische Artikel über ein Wohnmobil geschrieben, das es kaum 200 km weit schafft, um dann für drei Stunden an der Ladesäule zu hängen. Und ich amüsiere mich über die Teslas auf dem IKEA-Parkplatz hier in Dänischburg, die ihren Shopping-Trip im Luv-Center dazu nutzen, um kostenlos ein paar Kilowatt aus der Ladesäule zu saugen.

Und dann das:

Ich hatte einen Termin bei Professor Dr.-Ing. Roland Tiedemann an der Technischen Hochschule zu Lübeck. Das dortige Fachgebiet für Elektromobilität und Leistungselektronik (EMLE) ist Teil des Wissenschaftszentrums Dezentrale Energieversorgung und beschäftigt sich unter anderem mit unterschiedlichen Aspekten der Brennstoffzellentechnik und Hochleistungsladesystemen für die Elektromobilität.

Es ging um das Projekt Power 400 und er zeigte mir eine Ladesäule, mit der es schon in wenigen Jahren möglich sein wird, ein Elektrofahrzeug an eine ganz normale 230-Volt-Leitung anzuschließen, um den Akku innerhalb von wenigen Minuten wieder randvoll zu machen. Momentan läuft das Ganze nur mit 400 kW, aber das Ergebnis war dennoch überraschend. Wir konnten noch nicht einmal unseren Kaffee zu Ende trinken, als ein zur Demonstration angeschlossener Zoe bereits meldete, dass der Ladevorgang beendet sei.

Angepeilt ist eine Ladeleistung von satten 1000 kW, erläuterte mir Tiedemann. Das ist technisch kein Problem, scheitert momentan allerdings an den verfügbaren Akkus, die so einen Power Boost schlicht und einfach nicht überleben würden. Aber Wissenschaftler sind es gewohnt, in Systemen zu denken. In Lübeck arbeitet man daher mit dem Fraunhofer Institut für Siliziumtechnik ISIT in Itzehoe, Custom Cells in Itzehoe, der FH Kiel und dem Energieversorger Netz Lübeck zusammen. Am ISIT wird derzeit eine neuartige Batterietechnologie entwickelt, die mit den jetzigen Akkus nicht mehr viel gemein hat. Auch das Problem mit seltenen Erden, die derzeit teilweise unter unmenschlichen Bedingungen gefördert werden, ist damit erledigt.

Würde man 1000 kW einfach aus dem Stromnetz ziehen wollen, würde das allerdings schnell in die Knie gehen. Das Team um Tiedemann greift daher zu einem Trick: Die Ladestation liefert zwar die erforderliche Energie für die Schnellladung innerhalb von wenigen Minuten. Allerdings wird die nicht direkt aus dem öffentlichen Grid gesaugt, sondern kommt aus einer eingebauten Pufferbatterie, die ständig nachgeladen wird und dabei nur soviel Leistung zieht wie die öffentliche Stromversorgung liefern kann.

Bis zu 10 Fahrzeuge sollen sich künftig an einer Ladestation dieser Bauart mit frischer Energie versorgen lassen, ohne dass in der Umgebung die Lichter ausgehen. Damit werden Elektroautos auch für Menschen interessant sein, die zu Hause keine eigene Garage mit Ladeanschluss haben und daher auf die öffentliche Infrastruktur angewiesen sind. Auch stundenlange Wartezeiten an der Autobahn-Raststätte sind dann kein Problem mehr, denn der Ladevorgang dauert kaum länger als man heute fürs Tanken braucht.

Momentan reden wir hier nur von einem Forschungsprojekt. Aber besonders im Bereich der angewandten Wissenschaft dauert es mittlerweile nicht allzu lange, bis Forschungsergebnis zu konkreten Produkten werden, die neue Möglichkeiten eröffnen und unser Leben gründlich verändern werden.

Die Elektromobilität hat zwar große Fortschritte gemacht und ist im Begriff, ganze Industrien umzukrempeln. Doch momentan ist sie eher eine Interims-Technologie. Die realen Reichweiten der Fahrzeuge sind noch immer zu gering, das Netz an Ladesäulen ist eher unbefriedigend und die Ladezeiten sind eine Zumutung. Mit einem E-Fahrzeug kann man daher momentan nur zufrieden sein, wenn damit eher überschaubare Entfernungen zurücklegt werden und zu Hause eine Ladesäule vorhanden ist, an der das Mobil über Nacht aufgeladen wird, sodass morgens mit vollem Akku in den Tag gestartet werden kann.

Allerdings setzt Elektromobilität auch eine gesicherte Energieversorgung voraus, die mir bei der momentan recht abenteuerlichen Energiepolitik eher nicht gegeben ist. In einem Land, in dem Güterzüge nicht fahren können, weil die Bahn nicht genügend elektrische Energie dafür hat, sollte man meiner Ansicht nach die Energiepolitik eher Fachleuten und nicht Ideologen überlassen, die bestehende Kraftwerke abschalten, noch bevor ausreichender Ersatz dafür vorhanden ist.