Biotech: Flugzeuge aus Spinnseide

Seit Jahrzehnten werden Flugzeuge aus Aluminium gebaut, denn Aluminium hat eine Festigkeit fast wie Stahl und ist dabei deutlich leichter. Der Trend geht jedoch seit Jahren zu noch leichteren Werkstoffen. So besteht zum Beispiel die neueste Flugzeug-Generation von Airbus mittlerweile zu 50% aus Carbon-Verbundstoffen. Doch die Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende, denn jetzt beginnt das Biotech-Zeitalter und rein biologisch erzeugte Spinnseide ist das Material der Zukunft.

In der Luftfahrtindustrie dreht sich alles um konsequenten Leichtbau. Da wird um jedes Kilo gekämpft, denn je leichter ein Flugzeug ist, desto höher ist seine Nutzlast und damit auch seine Wirtschaftlichkeit. Das gilt auch für Airbus, wo man einen immensen Aufwand treibt, um neue Materialien zu erforschen, die noch höhere Festigkeit mit noch geringerem Gewicht verbinden. Nicht ohne Grund befindet sich daher eines von weltweit zwei Know-how-Clustern zum Thema Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe (CFK Valley) direkt neben dem Werksgelände von Airbus. Auch das Hamburger Zentrum für angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) liegt in Sichtweite. Ein Zusammenspiel, das sich auszahlt, denn wenn es um Leichtbau geht, zählt die europäische Luftfahrt-Industrie zu den absoluten Technologieführern.

So forscht man zum Beispiel am ZAL an neuen Produktionstechnologien, wie dem Lasershock Peening.  Damit lässt sich Aluminium ganz gezielt behandeln, um eine deutlich höhere Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Materialermüdung zu erzielen und einer kritischen Rissbildung entgegenzuwirken. Auch lassen sich bestimmte konstruktive Bauteile filigraner und damit leichter auslegen, ohne ihre Festigkeit zu beeinflussen. Wer hier mit den Entwicklungsingenieuren ins Gespräch kommen will, sollte ein gewisses physikalisches Grundwissen mitbringen, um überhaupt etwas zu verstehen. Ich hatte zumindest den Eindruck, dass sich mein Gesprächspartner größte Mühe gab, um die komplexe Materie auf mein doch recht bescheidenes Wissensniveau herunterzubrechen.

Ein Besuch beim CFK-Valley hatte ich das Gefühl, direkt in der Zukunft gelandet zu sein. Hier werden Produktionstechnologien für den Leichtbau von morgen entwickelt. Nicht nur die Materialforscher von Airbus gehen hier ständig ein und aus. Auch die Automobilindustrie zeigt großes Interesse, denn Carbon kann eine ganze Reihe schwerer Bauteile ersetzen, die heute noch aus Stahl oder Aluminiumguss hergestellt werden. Das macht Carbon zu einem wichtigen Baustein für die Konstruktion von Fahrzeugen, die erheblich leichter und effizienter sein werden als alles, was sich heute auf der Straße bewegt.

Doch bei Airbus ist man bereits einen Schritt weiter und hat sich einem noch besseren, noch leichteren High-Tech-Material zugewandt. Es geht um Biotechnologie, konkret um biologisch erzeugte Spinnseide. Airbus hat sich dafür AMSilk ins Boot geholt. Das in München beheimatete Unternehmen ist eine Ausgründung der Universität München und im Bereich der Biotechnologie tätig. Bei AMSilk hat man einen völlig neuartigen Herstellungsprozess zur industriellen Produktion von Spinnseide entwickelt. Basismaterial dafür sind gentechnisch veränderte Kolibakterien. Sie bestehen vollständig aus Eiweißstoffen, sind biologisch abbaubar und erlauben damit ein umweltverträgliches Recycling. Die in einem geschlossenen Produktionskreislauf entstehende Biopolymer-Spinnseide ist mikroskopisch dünn und hat dennoch die 25-fache Belastbarkeit von Stahldraht.

Biopolymer-Spinnseide kann aus gutem Grund als die nächste Generation des Leichtbaus bezeichnet werden. Sie zeichnet sich durch hohe Flexibilität, Stoßbelastbarkeit und Reißfestigkeit aus und bietet damit genau die Eigenschaften, die im Flugzeugbau entscheidend sind. Dabei ist sie noch leichter als CFK und wird daher die nächste Flugzeug-Generation noch leichter und damit noch wirtschaftlicher machen.

„Die Partnerschaft mit Airbus ist eine Chance, die gesamte Luft- und Raumfahrtindustrie auf einen neuen, starken und nachhaltigeren Kurs zu bringen“, sagte AMSilk-Chef Jens Klein dazu.