Darüber schreiben heißt Bescheid wissen

Wenn es um erneuerbare Energien geht, bestimmt eine Menge Halbwissen die Diskussion. Das vom BMWi geförderte Großprojekt Norddeutsche Energiewende 4.0 (NEW 4.0) zeigt recht deutlich, wo die eigentlichen Probleme liegen und welche Lösungsansätze es gibt. Das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg lädt regelmäßig zu Pressereisen ein, die anhand realer Projekte den Stand der Entwicklung zeigen.

So konnte ich zum Beispiel auf dem Gelände des Hamburger Kreuzfahrt-Hafens einen von Vattenfall installierten Batteriespeicher besuchen, bei dem ausgediente Akkus aus BMW Elektrofahrzeugen verwendet werden. Damit sollen unter anderem Möglichkeiten einer künftigen Kreislaufwirtschaft demonstriert werden. Ein Akku, der zum Fahren nicht mehr die gewünschte Leistung bringt, lässt sich nämlich noch viele Jahre lang weiterverwenden, um Frequenzschwankungen im Stromnetz auszugleichen.

Batteriespeicher für stabile Netzfrequenz

Mittlerweile gibt es schon Dutzende solcher Batteriespeicher. Einige passen bequem in einen LKW-Container. Andere bevölkern ein mehrstöckiges Gebäude. Doch im Gegensatz zur landläufigen Annahme dienen solche Speicher nicht etwa dazu, überflüssige Windenergie aufzusaugen, um sie dann bei Flaute wieder ins Netz zu speisen. Ihre Aufgabe besteht lediglich darin, die Netzfrequenz stabil zu halten. Die schwankt nämlich durch die zunehmende Diversifizierung der Stromerzeugung stärker als je zuvor und muss unbedingt stabil gehalten werden. Die in Europa gebräuchlichen 50 Hertz dürfen nämlich nur minimal über- oder unterschritten werden, weil zum Beispiel sonst so mancher Motor nicht mehr rund laufen würde.

Einfach den kostenlosen Wind zur Energieerzeugung zu nutzen, ist zwar verlockend und auch die leistungsfähigste Energiequelle. Aber selbst an der Küste weht der Wind nicht immer gleich stark. Manchmal ist ausgerechnet dann Flaute, wenn gerade besonders viel Energie benötigt wird. Oder der Wind weht leider am Sonntag besonders intensiv, wenn Industrieanlagen Pause haben und niemand das Stromangebot braucht.

Sktorenkopplung: Windenergie wird zu WasserstoffEine bessere Abstimmung von Angebot und Nachfrage ist daher ein Kernthema von NEW 4.0. Genau dafür steht das Stichwort Sektorenkopplung. Gemeint sind Technologien, um bei einem Überangebot elektrische Energie in einen anderen Energieträger umzuwandeln, um daraus bei erhöhter Nachfrage wieder Strom zu erzeugen. Eine bereits ausgereifte Standard-Technologie ist dabei Wind2Gas, also die Verwendung eines Elektrolyseurs zur Umwandlung von Strom in Wasserstoff. Der kann dann relativ einfach dem vorhandenen Gasnetz beigemischt werden, zum Antrieb von Fahrzeugen dienen oder gespeichert und bei Bedarf wieder in Strom zurückverwandelt werden.

Der Wasserstoffantrieb bietet nämlich im Vergleich zu rein batteriebetriebenen Fahrzeugen einige entscheidende Vorteile: Es wird eine Energie genutzt, die ohnehin im Augenblick keiner haben will. Der Tankvorgang erfordert nur fünf Minuten und nicht mindestens eine Stunde wie beim E-Mobil. Die Reichweite ist so, wie man sie vom Benziner oder Diesel kennt und Reichweiten-Probleme an kalten Wintertagen sind auch kein Thema.

Ein besonders interessantes Beispiel für Sektorenkopplung ist das Projekt Power2Heat, das ich noch unter größter Geheimhaltung während der Bauphase besichtigen konnte. Dabei handelt es sich um einen großen mit Steinen gefüllten Speicher, in dem heiße Luft gepumpt wird, die mit elektrischer Energie aus überschüssiger Windkraft erzeugt wurde. Steine können sehr hohe Temperaturen speichern und das über einen langen Zeitraum. Wird also Energie benötigt, die von den Windparks gerade nicht geliefert werden können, wird die im Stein gespeicherte Hitze genutzt, um eine Dampfturbine anzutreiben, die wiederum Strom erzeugt. Der neuartige ETES-Speicher (Electro Thermal Electro Storage) wurde von Siemens Gamesa entwickelt und steht im Hamburger Umland.

Die viel gepriesene, aber auch heftig kritisierte Energiewende ist sicher kein Spaziergang. Aber die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien ist der richtige Weg, auch wenn es noch eine ganze Reihe von Problemen zu lösen gilt. Allerdings ist es eine Utopie, den Bedarf an elektrischer Energie eines Tages ausschließlich mit Windkraftwerken sicherzustellen. Dagegen spricht schon allein der enorme Flächenbedarf, den ein Windpark erfordert. Schließlich will niemand in einem Land leben, in dem es keinen Ort mehr gibt, an dem man keine sich drehenden Windräder sieht.

Ich finde es äußerst spannend, über solche Themen zu schreiben, und bin mir sicher, dass die Zukunft noch so manche überraschende Entwicklung bringen wird.